Auf der Suche nach einem bestimmten Brief (kein Zorn weit und breit) in der Sammlung blieb ich an dem abgebildeten Faltbrief hängen, weil ich schon lange einen Stempelvergleich machen wollte. Daraus ergaben sich zwei Geschichten, wobei nur die erste etwas mit Philatelie zu tun hat.
Damit der Thread passt, beginne ich mit der 1 Kr.-Marke. Der Faltbrief verbrachte wohl aufgrund des mangelhaften Markenschnittes eine lange Zeit in der Wühlkiste. Meine Gewohnheit, Briefe aufzumachen um den Inhalt zu sehen war letztlich kaufentscheidend. Neben dem Poststempel, dazu später mehr, interessierte der Gummistempel-Abdruck, der so nicht häufig zu finden ist. Oftmals sind Pries-Medaillen in die Briefköpfe eingedruckt und nicht provisorisch aufgestempelt.
Jetzt konnte ich mehr über diese Preisverleihung und die Leinenfabrik Sigmund Frank, Bamberg, ergoogeln:
„Die Industrie und Landwirtschaft Bayerns auf der internationalen Ausstellung Paris 1867
Sigmund Frank in Bamberg. Leinen-, Drell- und Damast Gegenstände. — a) Pack- und Sackleinen aus Jute-Garnen gewoben, welche bis jetzt fast nur in Schottland (Dundee) fabriziert worden sind, die Aussteller jedoch vollkommen eben so gut, wenn nicht noch besser und billiger herstellt, b) Rohe Leinen, c) Gebleichte Leinen aus Handgarnen sowohl wie aus Maschinengarnen. d) Diverse leinene Taschentücher, e) Drell - und Damast Gegenstände. — Unter den Handgarnleinen ist der Alhambragarnleinen vorzugsweise zu erwähnen, welcher sich durch Qualität vor andern auszeichnet. — Das Etablissement besteht seit 9 Jahren. Arbeiterzahl unbestimmt, da Aussteller in den ärmeren Gegenden Faktoren hat, welche die Garne von ihm- bekommen, solche an die einzelnen Weber abgeben und alsdann die fertige Waare abliefern. Außerdem lies derselbe auch in Strafanstalten z. B. Plassenburg, Ebrach, Lichtenau etc. seine Waare fabrizieren. Außer dem deutschen Geschäfte hat Aussteller ein Fabrikgeschäft in Belfast (Irland) unter der bisherigen Firma Frank u. Mautner ausgeübt. Jährlicher Umsatz im deutschen Geschäfte 4—500,000 fl.
Die Firma erhielt für rohe und gebleichte Leinen, Taschentücher, Drell- und Damastwaren die Bronzemedaille.
Damals begann der Übergang von der Handgarn- zur Maschinengarn-Spinnerei, mit all seinen Folgen. Weil auch in unseren Tagen das Thema Kinderarbeit aktuell ist, ergänzend ein Auszug aus einem Bericht zur Pariser-Weltausstellung von 1867:
In Preußen ist die Arbeitszeit für Mädchen über 16 Jahre mit 12 Stunden, von 14 —16 Jahren mit 10 Stunden normiert. Vor dem 14. Jahre darf kein Kind in Spinnereien oder Webereien arbeiten, außer es kann lesen, schreiben, rechnen. Kinder unter 12 Jahren dürfen gar nicht, Kinder über 12—14 Jahre nur sechs Stunden täglich arbeiten. Die von der Regierung ernannten Fabrikinspektoren haben die Überwachung. — Es ist natürlich, dass jene strenge Normen den Arbeitslohn dort verteuern.“
Zurück zum Stempel „BAMBERG BAHNH.“. Dieser Stempel ist eine Sondertype, wie er vor allem in Würzburg und München zu finden ist. Erstaunlich jedoch, dass auf einer Postkarte von 1882 nochmals dieser Stempel abgeschlagen wurde. Vermutlich wurde er als Ankunftstempel für Sonderfälle, wie hier der Feststellung der richtigen Adresse, benutzt. Er könnte deshalb auch auf Formularen vorkommen.
Die Postkarte – adressiert nach Hamburg und irrtümlich als Bamberg gelesen und dorthin gesandt zeigt sehr schön, dass 1882 der Einkreis-Stempeltyp Nr. 21 a (28 mm) hohe Grotesk mit Postamtsziffer II in Bayreuth verwendet wurde.
Im Vergleich dazu der Hamburg-Stempel – kleiner, aber aussagefähiger (u.a. mit Jahreszahl und noch hübsch verziert! – tja Preußen war immer top!).
Mit diesem Beitrag wollte ich wieder aufzeigen, was uns die alten Briefe von der damaligen Zeit erzählen können. Briefumschläge – wie die heutzutage verwendeten Fensterbriefe – können das leider nicht mehr.
In diesem Sinne viel Freude beim Lesen der alten Briefe wünscht
Luitpold