Hallo,
vorab eine kurze Vorgeschichte. Gestern auf einem Flohmarkt zog mich ein Stand überhäuft mit diversen Alben und Wühlkisten magisch an. Viele Münzen, Ansichtskarten, Banknoten und Alben, sowie Steckkarten mit Briefmarken lagen bereit durchgesehen zu werden.
Naja es wurde mir schnell klar, dass es sich hier um eine seltene Gelegenheit handelt, weil das Angebotene als Ganzes sah sehr nach einer Erbschaft aus, die gerade von seinen Erben feil geboten wird. Die Steckkarten waren schön mit Katalogpreisen beschriftet und ein Album stach mir gleich ins Auge. Ein sorgfältig selbst gestaltetes Österreich Falz-Album mit Briefmarken von 1850 bis 1867. Stellenweise schon leergeplündert, will nicht wissen welche Rosinen da noch waren, aber zum Glück wurde diese Eine verschont...
Es handelt sich hier um ein Briefstück einer 15 Kreuzer Marke (ausgegeben am 1.11.1858 und Frankaturgültig bis zum 31.5.1864) mit einem postamtlichen Aufkleber "Unterschlagen gewesen und nun zu Stande gebracht". siehe Anhang.
Hinter diesem Aufkleber steckt eine Kriminalgeschichte, welche damals für große Schlagzeilen in der Monarchie sorgte.
Im April 1862 wurde in Wien der Postexpeditor Karl Kalab überführt, insgesamt mehr als 200.000 Briefe unterschlagen zu haben. Von diesen abgelösten, nicht entwerteten Marken und deren Inhalt (Bargeld) konnte er sich ein stattliches Vermögen ergaunern. Es wurden noch über 56.000 ungeöffnete Briefe sichergestellt und mit diesem Aufkleber versehen und den Adressaten zugestellt. Oft erst lange nach dem Aufgabezeitpunkt.
(Kurzfassung aus Ferchenbauer 6.Auflage)
Die ganze lesenswerte Geschichte findet man hier:
Der Aufkleber wurde zum geflügelten Wort in ganz Österreich, da man nun endlich auch in Österreich einmal „etwas zu Stande gebracht" hatte!
Der Fall Karl Kalab fand sich sogar in einer Operette von Offenbach wieder:
So nun nochmal zurück zu meinem Stück. Laut Ferchenbauer (6.Aufl.) tragen alle bisher bekannt gewordenen Briefe den Wiener Rundstempel vom 14/4 1862 und Dr. Jerger schätzt, dass weniger als 100 solcher Belege erhalten geblieben sind. Meiner Meinung nach vielleicht auch nochmal so viele Briefstücke?
Nun im Internet finde ich zwei Belege, einen von einer Dorotheum Auktion 2009, leider kein Bild mehr ersichtlich:
"Marke entwertet mit Stpl. “WIEN / 15/4 9. F” (1862) nach Berlin, von dort nach Wien zurückgeschickt und nach Athen weitergeleitet, div. Taxvermerke und siegelseitige Durchgangsstempel, F 240"
und einen ebenfalls mit 15.4, "10 Kr. braun (fehlerhaft) und 15 Kr. blau, gest. "Wien 15/4" (1862), auf Faltbriefhülle ohne Inhalt adressiert nach Neuhausen in der Schweiz" siehe Anhang.
Mein Stück ist auch mit dem 15.4 abgestempelt, also dürfte es nicht nur welche vom 14.5 geben.
Diese zwei und jener im Ferchenbauer abgebildete Brief sind mit den Marken der Ausgabe von 1860/61 frankiert, welche von 60/61 bis zum 31.5.1864 gültig waren. Daher meine Frage, sind weitere Briefe, bzw Briefstücke mit der Ausgabe von 1858 erhalten?
mfg
Sebastian