Liebe Kollegen!
Ich habe auch mal einen Brief, wo ich gerne den gesamten Inhalt verstehen würde, weil er Teil einer Korrespondenz ist.
Leider komme ich aber mit dieser Handschrift bis jetzt überhaupt nicht zurecht. Vielleicht mag mir jemand helfen?
Liebe Kollegen!
Ich habe auch mal einen Brief, wo ich gerne den gesamten Inhalt verstehen würde, weil er Teil einer Korrespondenz ist.
Leider komme ich aber mit dieser Handschrift bis jetzt überhaupt nicht zurecht. Vielleicht mag mir jemand helfen?
Hallo Lacplesis,
leider habe ich heute nicht viel Zeit, aber einen Anfang habe ich zumindest schon mal geschafft (bis zur Mitte der 1.Seite):
Meine liebe gute treue Katia !
dies alles sind Sie & ich bin kohlraben
schwarz, indem ich Ihnen so lange nicht
geschrieben habe. Und daß hat mich Ihr Brief
vom vergangenen Som(m)er mit der Photogra-
phie sehr, sehr gefreut.Sie steht zur ???
auf meinem Schreibtisch & nicht genug hin
anzusehen, ??? ??? oft in die Hand
& ??????? mich in die Physiognomie
Ihres Mannes,den ich nicht kenne.
Vielleicht springen noch andere ein oder ich setzte mich morgen noch mal dran.
Viele Grüße
Michael
Hallo Lacplesis,
habe mich auch mal an der "Übersetzung" Deines Briefes versucht, hier erst mal das Ergebnis der ersten Seite: (bin mir allerdings nicht sicher, es immer richtig interpretiert zu haben)
Am Rand links oben: Verzeihen Sie die losen Blätter
Meine liebe, gute treue Katia! Ja,
dies alles sind Sie & ich bin kohlraben-
schwarz, indem ich Ihnen solange nicht
geschrieben habe. Und doch hat mich Ihr Brief
vergangenen Sommer mit der Photogra-
phie sehr, sehr gefreut. Sie steht vor mir
auf meinem Schreibtisch & nicht genug sie
anzusehen, - nehme ich sie oft in die Hand
und vertiefe mich in die Physiognomie
Ihres Mannes, den ich nicht kenne und so gern
kennen möchte, dann rufe ich mir ins Ge-
dächtnis, was sie von ihm geschrieben haben.
"sehr klug, so so gut und lieb" und dann weiß ich es,
meine liebe Katia ist glücklich und es ist
mir ??? ??? Sie nur noch besonderes
zu, mit Ihrem freundlichen Lächeln auf der
Photograpie: ja, ja, so ist es. Und daß Sie
mir schreiben Sie seien ganz gesund, freut
mich auch nicht an wenigsten. Also tausend
Dank für Brief & Photo schon im Sommer
erhalten und für Ihr liebes Weingeschenk an
mich dem freundlichen Ostergruß in Ihrem (Ende Seite 1)
An der zweiten Seite werde ich mich auch noch versuchen. Bitte um etwas Geduld.
Gruß harweg
Hallo harweg und andere,
wenn ich darf - hier schon mal der Anfang von Seite 2
...letzerhaltenen Briefe. ich wußte nicht ein-
mal, daß (Eigenname ?) zusammen feierten, bis
ich es aus der Zeitung erfahren hatte.
Sicher vermissen Sie xxx ihre Schwester
und den lb (=lieben) kleinen Buben & auch Ihren
Schwager, aber es ist gewiß gut wenn sich
alle (?) Männer im Vaterland auch ....
So jetzt brauch ich erst mal ne Pause
(so schlimm ist die Handschrift gar nicht, wenn man sich erst mal eingelesen hat geht es...)
Gruß der Vichy
(Rand: ) Verzeihen Sie die losen Blätter!
Basel, 17 Apr. 06.
Zürcherstrasse 99. –
Meine liebe gute treue Katia. Ja, dies Alles sind Sie & ich bin kohlrabenschwarz, indem ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe. Und doch hat mich Ihr Brief vom vergangenen Sommer mit der Photographie sehr, sehr gefreut. Sie steht vor mir auf meinem Schreibtische & nicht genug sie anzusehen, -nehme ich sie oft in die Hand& vertiefe mich in die Physiognomie Ihres Mannes, den ich nicht kenne & so gern kennen möchte, dann rufe ich mir ins Gedächtniß, was Sie von ihm geschrieben haben „sehr klug, so so gut & lieb“ & dann weiß ich es, meine liebe Katia ist glücklich & es ist mir als nickten Sie mir noch besonders zu, mit Ihrem freundlichen Lächeln auf der Photographie: ja, ja, so ist es. Und daß Sie mir schreiben Sie seien ganz gesund, freut mich auch nicht am wenigsten. Also tausend Dank für Brief & Photo, schon im Sommer erhalten & für Ihr so liebes Meingedenken mit dem freundlichen Ostergruß in Ihrem
--
letzterhaltenen Briefe. Ich wüßte nicht einmal, daß Morgenland & Abendland in diesem Jahre Ostern zusammen feierten, bis ich es aus der Zeitung erfahren hatte. – Sicher vermissen Sie jetzt Ihre Schwester mit den lb. Kleinen Buben & auch Ihren Schwager, aber es ist gewiß gut, wenn sich alle Männer im Vaterland auch nützlich machen, wie der Fürst im „Semstivo (?) jetzt zu tun gedenkt. Nicht wahr Ihre Mama hat ihr „Gut“ in Wassilievskoie? Wie gerne wüsste ich etwas von Ihren lb. Eltern. Oft & viel dachte ich an meine russischen Freunde in den unruhigen vergangenen Zeiten. Von Fürst Anatol Gagarin hatte ich einige Mal Nachricht das das Dörfchen „Okno“, wo er sein schönes Gut hat, wurde von einer Räuberbande ausgeplündert & ein anderes schönes Gut, im Saratov’schen, (wo er für die Wohlfahrt der Bauern bereits viel gethan hatte) wurde von Anarchisten erobert & mit Hilfe des Pöbels, aus der Umgegend, geplündert.
Ihr Bruder Polia ist ein ganzer Mann. Jung und frisch geht er ins Leben hinein, arbeitend, sich Erfahrung & Kenntnisse sammelnd, womit er auch einst Land & Menschen dienen & nutzen wird. Sie hatten einen unruhigen Winter mit der zweimaligen Reise nach Paris. – The
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2).
The mere locomotion you might hve liked, but not so, as it was called forth by the sad event of sickness & even death.
Führt Ihr Weg Sie nicht einmal in unsere Gegend? Wie gerne möchte ich Sie wieder sehn! Sollten Sie über Basel fahren & wenn’s um Mitternacht wäre – ich käme an den Bahnhof, Sie zu begrüßen. Es war so nett Masha einst hier zu begegnen. Annina (Gagarin Stourdza) überraschte mich vergangenen Sommer mit ihrem Besuch. Sie & ihre sehr hübsche, kleine Tochter. Sie waren in Bern & machten sich eines Tages schnell auf den Weg hierher. Es war mir eine Freude. Auch Annina’s Mutter sah ich im schönen Badenweiler, (nicht weit von hier) wohin sie mich eingeladen hatte. Annina hat eine herrliche Villa in Cannes „Manzipia“ (route de Frégus). Sie ist jeden Winter da & will immer, daß ich sie dort besuchen soll. Auch Maders & Zeaneps (?) in Nice schreiben fortwährend: komm, komm doch! Aber, aber es ist nicht so leicht herumzureisen. Die Sparkasse ist schnell erschöpft, besonders wenn man teure Kuren machen muß, was bei mir vergangenen Sommer der Fall war. Gerade vor einem Jahre erkältete ich mich & zog mir einen „Ischias“ zu- Während 4 Monaten hatte ich mehr oder weniger starke rheumatische Schmerzen. Der Arzt schickte mich in ein Soolbad, wo ich 5 Wochen sehr unästhetisch herumhinkte.
--
Dann wurde es besser, so daß ich mich wieder recht wohl befinde. Gott sei Dank! Sehr nette Leute lernte ich in Rheinfelden (dem Soolbad) kennen. So eine Frau Professor, mit der ich interessante Bücher austauschte & auch las. Ich konnte ihr „Anna Karenina“ leihen, nahm das Buch mit, nur um es selbst noch einmal zu lesen. Dann fand ich in der Kurhausbibliothek: „The Velvet Glove“. Ist es nicht traurig, daß er gestorben ist – Henry Seton Merriman? Another very fine reading is: „The Months“ by E.F. Benson. Sie sollten sich diesen xxx Band verschaffen wo möglich. Lesen Sie manchmal mit Ihrem Mann? Er Ihnen vor? Oder Sie lesen vor? O wie gerne thäte ich einen Blick in Ihre hübsche Wohnung, zu sehen meine liebe Katia als Hausfrau. Haben Sie viel Gesellschaft in & außer dem Hause? Ganz frauhaft (?) schön muß es in Bouionk Déré bei Ihnen sein! – Ich war, ja auch in Constantinopel & kann mir Land & Leute von da vorstellen. Frl. Besebratero (?) sprach seiner Zeit so viel von Bouionk D. noch als ich sie bei der Fürstin Gagarin in Odessa sah!
Jetzt sage ich Ihnen Lebewohl liebe, liebe Katia Sie fest umarmend mit herzlichem Kuß.- Gott behüte Sie & erhalte Sie gesund! Es war so lieb von Ihnen mir zu schreiben nach meinem langen Schweigen, aber vergessen thue ich Sie nie & nimmer. Bitte empfehlen Sie mich Ihren verehrten Eltern gelegentlich
Von Ganzem Herzen Ihre (Unterschrift: ) Ntte. Rendorff (?).
X Wie mag es seiner arnem, kleinen Witwe gehen?
X Verzeihen Sie die vielen Fragen & noch mehr möchte ich laut werden lassen, es muß genug sein.
@ markenhamster
Da muß einer Zeit haben
Merci. Der Text war gut lesbar, die Arbeit im wesentlichen das Schreiben. Die Hintergründe interessieren mich:
Katia alias Madame Katerine ist wohl die Frau des russischen Gesandten in Konstantinopel. Woher kennt die Verfasserin sie? Über die Eltern, die evtl. auch im diplomatischen Dienst waren? Oder war Katia bei ihr in Pension - die gebildete und polyglotte Autorin erwähnt keinen Ehemann, aber eine recht leere Sparkasse...
Vor allem mit dem Rußlandbezug 1906 ist der Brief schon ein interessantes historisches Dokument - und die Transkription eine schöne Ablenkung vom Vorlesung-Schreiben...
Cheerio
der Markenhamster
glaube, Zeit allein dürfte da nicht ganz ausreichen;) !
Ich selbst war mal gerade bei der zweiten Seite und habe selbst auf der ersten Seite auch kräftig daneben gegriffen?( !
Kann jetzt die frei gewordene Zeit anders nutzen.
Also, Hut ab vor Markenhamster!
Gruß harweg
Wow, kurz mal was essen und schon ist die Sache fertig! Wahnsinn!
Ich erzähl mal was zum Hintergrund.
Ich habe eine ganze Menge Belege aus dieser Korrespondenz erworben. Also habe ich mich vor dem Scanen erstmal hingesetzt und versucht das historische Umfeld zu ergründen.
Katia ist Katarina Onu, geboren Gräfin Ekaterina Konstantinovna Chreptowitch-Boutenev (*1876 +1966). (Enkelin von Apollinari Petrovitch Boutenev, dem russischen Gesanten in der Türkei zur Zeit des Krimkrieges. Dessen Bruder wiederum übrigens russischer Gesanter in Bayern)
Ihr Mann ist Konstantin Michaelovich Onu (in Constantinopel wohl eher Botschaftssekretär, dann in den Haag und Washington, wo er dann von Trotzki aus dem Amt geworfen wurde (Edikt vom 26.11.1917). (Seine beiden Brüder an den Gesandschaften in London und Bern (stehen auch auf dem selben Trotzki Edikt). Seine Schwester Alexandra verheiratet mit Prinz Vsevolod N. Shakhovsko, dem letzten kaiserlichen Minister für Handel und Industrie).
Der betrauerte ist der Bruder von Katias Schwager Prinz Grigorii Nikolaevich Trubetskoi (mit ihrer Schwester Maria verheiratet), welcher zu dieser Zeit auf höchster Beamtenebene ebenfalls an der Botschaft in Constantinopel tätig war.
Sein Burder Prinz Sergeii Nikolaevich Trubetskoi (verstorben am 30.11.05 in Moskau an einer Hirnblutung) war ein wichtiger liberaler Reformer und Rektor der Moskauer Universität. Grigorii ging zurück noch Russland um die Arbeit seines Bruders im Semstwo (Regionalparlament) fortzusetzen und wurde mit Ausbruch der Balkankriege 1912 als Botschafter an den Brennpunkt Belgrad berufen.
So, bin wieder da, Sohn ist auch erfolgreich zu Bett gebracht...
Ich kann gar nicht sagen wie sehr mich Markenhamsters Übersetzungsleitstung beindruckt hat! Der totale Hammer. Vielen, vielen Dank!
De nada, hat Spaß gemacht. Sobald meine Technik wieder funktioniert, wird so etwas aber diktiert und als Audiofile verschickt - die Schreibarbeit war wirklich die einzige Mühe!
Weißt Du etwas über die Autorin?
Cheerio
der Markenhamster
Keine Idee! Ich kann jedoch die Vermutung äußern, das der Name Lendorff lautet, weil dieser in Schweiz wohl wesentlich häufiger vorkommt als Rendorff.
Anbei noch die Bilder von drei der Personen, um die es im dem Brief geht:
1. Katias Schwager Prinz Grigorii Trubetskoi
2. Sein Bruder Prinz Sergeii Trubetskoi
3. Konstantin Onu, Katias Mann (1917)
Das Staatsarchiv Kanton Basel-Stadt schreibt mir dazu:
Zitatim Adressbuch von 1906 ist eine Henriette Lendorff verzeichnet; wohnhaft an der Zürcherstrasse 99. Unter dieser Adresse sind keine weiteren Lendorff aufgeführt.
Wie sieht es aus? Soll ich noch mehr Briefe aus diesem Bestand zeigen?
Ich habe mich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt. Es handelt sich nicht um den Briefwechsel Lendorff-Boutenev, sondern um einen Querschnitt aus Gräfin Boutenevs Posteingang.
Ich habe noch ein paar deutschsprachige Briefe von einer Schreiberin aus Zittau, die insgesamt auch wieder ein Rätsel ergeben, das vielleicht recht spannend ist.
Der Großteil des Materials ist natürlich auf russisch, mal sehen ob mir die Web-Community auch dabei weiterhelfen wird...
Eine ganze Reihe Briefe sind auf französisch, daran wird sich erstmal meine Frau versuchen.
Weiterhin habe ich einen Brief auf englisch endeckt und einen den ich für dänisch halte.
Ist nicht grade philatelistisch, das Thema, aber zu Inhaltsdeutung passt es irgendwie. Ich bitte um ein paar Meinungen.
Gerne und her damit. Russisch vor 1917 kann ich nicht (da war eine größere Rechtschreibreform ), Dänisch auch nicht.
Henriette Lendorff paßt. Ich habe eine allein lebende Frau ohne Adelsprädikat erwartet - andere dürften es nicht wagen, auf die Sparkasse zu verweisen. Ob sie nun ein Pensionat betrieben hat oder Gesellschafterin oä war, bliebe herauszufinden, im Zweifelsfall Beerdigungstext.
Gut, jetzt warte ich auf den nächsten Brief!
Cit: "Der Großteil des Materials ist natürlich auf russisch, mal sehen ob mir die Web-Community auch dabei weiterhelfen wird..."
Ich komme zwar selbst nicht nach, "meine" Korrespondenz zu lesen, aber so einem illustren Kreis schaut man doch gern mal in die Karten bzw. Briefe. Also zeig ruhig etwas her, Orthographie vor 1918 ist kein Hinderungsgrund.
Dann mache ich erstmal zur Unterhaltung und um noch mehr in die Welt der vorletzten Jahrhundertwende einzusteigen, einen Teil des Bestandes, den ich selber lesen und damit abtippen konnte.
Es sind die Briefe der Schreiberin Marie Grossmann.
Aus den Briefen gehen folgende Informationen über die Schreiberin hervor:
Name: Grossmann, Marie - geb. Fischer (ihre Mutter eine geb. (Gräfin?) Brockdorff.
Wohnhaft: Frauenstr. 21 II in Zittau
Kinder: Edith und Hans-Wolf
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Seite 1
Zittau
Frauenstr. 21/2
d. 22./4. Feb. 06
Meine liebe, liebe Katia,
Ich weiss nicht ob Sie meinen Brief vom 27. Juli erhalten haben, ich hoffe es aber - denn sonst müssten Sie mir meines langen Schweigens halber, zürnen. Ich schrieb Ihnen aus der Schweiz, wo wir diesen Sommer 4 Wochen verlebt hatten. Mit meinen Gedanken bin ich seit dem so viel bei Ihnnen und den lieben Ihrigen gewesen - und doch ist das neue Jahr gekommen und befinden wir uns schon lange in demselben - und erst jetzt komme ich dazu Ihnen zu schreiben, meine liebe Katia.
Seite 2
Hoffentlich haben Sie und die lieben Ihrigen das neue Jahr gesund begonnen! Nachträglich sende ich Ihnen meine herzlichsten Glückwünsche - möchte das begonnene Jahr Ihnen recht viele glückliche, frohe Tage bringen, Sie immer gesund bleiben, meine liebe Katia und möchten Sorgen aller Art Ihrem Haus fern bleiben. Welch' traurige Zeiten sind über Russland gekommen! Gott sei dank scheint es aber ruhiger zu zu werden! In den Zeitungen ist gewiss sehr vieles übertrieben worden, wie das immer zu sein pflegt! Hoffentlich waren Ihre verehrten Eltern nicht in Moscau wie es so unruhig dort zuging! Wie mag es auf den Gütern gewesen sein? Hat man dort unter den Unruhen zu leiden gehabt?
Und nun vor allen Dingen, wie geht es Ihnen meine liebe Katia? Haben Sie sich in Constantinopel ganz gut eingerichtet und fühlen
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Sie sich dort heimisch? Wie geht es Mascha* sind die Kinder gesund und munter? Und wie geht es Ihrem Herrn Bruder? Ist er auch noch immer in Constantinopel? Und denkt er nicht auch an's heiraten? Ach, wie gerne möchte ich einmal wieder mit Ihnen plaudern, meine liebe Katia! Und wie gerne einmal ihre verehrten Eltern wiedersehen! Führt sie der Weg nicht einmal über Deutschland?
Gerne hätte ich Ihnen pünktlich zum Weihnachtsfest geschrieben - aber ich fühlte mich garnicht wohl, auch bin ich noch immer nicht ganz munter. Es muss eine Art Influenza sein an der ich leide. Bei uns ist das Wetter aber auch zu wechselnd. Einen Tag friert es - den nächsten Tag scheint die Sonne und am dritten Tag regent es. So war der ganze Winter bei uns - da kann man die Erkältung nicht los werden. Ich bin nur froh dass mein Mann und die Kinder gesund sind. Vor Weihnachten hatte Edith allerdings auch eine Mandel-Ent-
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zündung, doch war sie zum Fest wieder ganz gesund. Sie würden erstaunt sein was für ein grosses Mädchen sie geworden ist. Wir freuen uns mit welchen Eifer sie in die Schule geht. Zu Ostern bekommt Sie auch französisch Unterreicht. Hans-Wolf hat noch Zeit - er kommt auch Ostern über's Jahr in die Schule. Er ist ein sehr munterer, lebhafter und zärtlicher Knabe. Die beiden Geschwister lieben sich sehr. Wir haben uns im Herbst (mein Mann, ich und die Kinder) photographieren lassen - würde Ihnen ein solches Bild Freude machen? Dann sende ich Ihnen eins! Ueber Ihr Bild mit Ihrem Herrn Verlobten damals habe ich mich so gefreut! Es sieht so lebenswahr und glücklich aus. Für heute ein herzliches Lebewohl meine liebe Katia! Von meinem Mann und mir an Sie und all' die lieben Ihrigen die herzlichsten Grüsse! Es umarmt Sie in herzlicher Liebe
Ihre treue
Marie Grossmann
* Maria Konstantinovna Trubetskaya (Katias Schwester)
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Frau Grossmann hat offensichtlich noch nichts vom Trauerfall in der Familie Trubetskoy mitbekommen... Der Brief ist von der russischen Botschaft an eine Hoteladresse in Paris weitergeleitet worden.
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Zittau, 3/15 Mai 1906
Meine liebe, liebe Katia,
Heute Ihr Geburtstag! Wenn auch meine Glückwünsche zu demselben nicht pünktlich in Ihre Hände gelangen , meine liebe Katia, so sind sie nicht minder herzlich und aufrichtig gemeint. Der liebe Gott lasse Sie in ein recht glückliches und gesundes Lebensjahr eintreten und halte allen Kummer fern von Ihnen! - Für Ihren lieben Brief danke ich Ihnen herzlich!
Seite 2 (doppelseite)
Sie haben auch tarurige Zeiten hinter sich, meine liebe Katia! Da Ihre Frau Schwiegermutter aber so leiden und solche Schmerzen erdulden musste war der Tod eine Erlössung und wirkte dann auch auf die Hinterbliebenen versöhnender! Es bleibt aber immer ein grosser Schmerz den Sie und Ihr Herr Gemahl durchlebt haben! Denn nichts ersetzt nun die Elternliebe!
Ich habe auch vor einem Monat meinen Onkel verloren, den Bruder meines Vaters! Ich weiss nicht ob Sie ihn kennen gelernt haben! Papa hing mit grosser Liebe an ihm. Mir ist der Tod meines Onkels sehr nah gegangen - war er mir doch noch eine lebende Erinnerung an meinen geliebten Vater und ausserdem ein so guter, edler Mensch!
Hier geht es, Gott sei Dank, allen gut.Die Kinder entwickeln sich gut und wir freuen uns sehr dass Edith mit so viel Lust in die Schule geht. Nächste Ostern beginnt dann auch für Hans Wolf der Ernst des Lebens.
Ihr lieber Brief hat mich interessiert, meine liebe Katia. Ich freute mich sehr über all die Ihrigen etwas zu hören. Etwas einsam wird es Ihnen nun gewiss sein nachdem Ihre Schwester und Ihr Bruder nicht mehr in Constantinopel sind! Wird es Mascha
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nicht etwas einsam auf dem Lande werden? Wie viele Kinder hat sie? Ihr Herr Bruder macht eine sehr interessante Reise und der Aufenthalt in Tokio wird gewiss sehr angenehm sein. Japan ist ja ein so interessantes Land. Meine Cousine Brockdorff erzählte oft von ihrem Aufenthalt dort. Sie verlebte einige Zeit mit den Kindern in Kobe - als damals die grossen Unruhen in China waren.
Wann werden wir uns einmal wiedersehen, meine liebe Katia? Kann Ihr Herr Gemahl nicht einmal nach Berlin versetzt werden?
Oder unternehmen Sie wieder
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einmal eine Reise die Sie über Deutschland führt? - Neulich erhielt ich einen Brief von Herrn Jurgenson. Er schreibt dass er vielleicht die landwirtschaftliche Ausstellung in Berlin besuchen wird. Dann erwähnte er auch dass Ihr Herr Vater eine Kur in Ems gebrauchen will! Wie würde ich mich freuen Ihre verehrten Eltern einmalwieder zu sehen. Kommen Sie nicht über Sachsen + Dresden? Gern würde ich hinfahren um sie zu begrüssen. Zittau liegt ja so ab von der grossen Linie dass wir nicht hoffen dürfen so lieben Besuch einmal bei uns begrüssen
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zu können.
19/21 Mai 06
So lange ist mein Brief liegen geblieben, meine liebe Katia. Es gab viel zu thun in den letzten Tagen da mein Mann morgen nach 5 wöchentlicher Abwesenheit nach Hause zurückkommt. Er hatte ein Kommando nach Berlin. So angenehm die Abwechselung für ihn durch das leben in der Grossstadt war - so hat er doch schon grosse Sehnsucht nach uns und seinem Heim. Er ist am liebsten zu Hause bei den Kindern und bei mir. - Wir hatten jetzt sehr schönes Wetter immmer - aber zu wenig Regen - die Landwirte ersehnen welchen. Gehen Sie diesen Sommer fort von Konstantinopel? Nach Beshankovichy oder nach Szczorse? Oder nach Vassilievskoie zu Ihrer Schwester? - Haben Sie je wieder etwas von M'elle Leonie Jentzer gehört? Und wie geht es Ihrer Cousine der Prinzess Bariatinsky? Ich möchte so viel mit Ihnen plaudern meine liebe Katia - möchte so viel von Ihrem Leben hören! Wie Sie den ganzen Tag zubringen usw - usw. Vielleicht ist das Schicksal günstig und gibt uns einmal ein Wiedersehen - trotz
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der grossen Entfernung die uns jetzt trennt.
Für heute ein herzliches Lebewohl, meine liebe Katia! Bitte grüssen Sie Ihre Eltern wenn Sie schreiben & wie glücklich ich wäre sie einmal wiederzusehen.
Nochmals alles Gute für das neue Lebensjahr!
Ihnen und Ihrem Herrn auch meine innigste Teilnahme bei dem unersetzlichen Verlust den Sie jetzt erlitten haben. - Edith lässt die liebe Tante Küssen! Es umarmt Sie, meine liebste Katia in treuer Liebe
immer Ihre
Marie Grossmann