Liebe Sammlerfreunde,
weil ich so nett gebeten wurde, möchte ich heute im 1. Teil über etwas referieren, das die meisten Bayernsammler gar nicht kennen - Zeitungssachen und die Gründe für deren Zustandekommen.
Jeder bayerische Postexpedition wurden in Form der Verordnungsblätter und der Circulare alle benötigten dienstlichen Neuerungen mitgeteilt. Darüber hinaus erinnerten auch einzelne Schwerpunktthemen in den VO - Blättern an länger zurück liegende Ereignisse, Verträge, Manipulationsverordnungen oder Vorschriften, die in der letzten Zeit von den Postbediensteten nicht recht eingehalten wurden und trieben sie zur Achtsamkeit (unter Strafandrohung) an.
Ein Expeditor, der also über Jahre seinen Dienst verrichtete, musste zwangsläufig auf viele Hundert Dienstvorschriften Rücksicht nehmen und sollte die allermeisten von ihnen beherrschen.
Je unübersichtlicher diese Vorschriften aber waren, weil die 1. noch gültige Vorschrift z. B.l aus dem Jahr 1847 stammte, die Modifikation eines Teils dieser Vorschrift im Jahr 1858 und eine weitere Änderung des 1. und 2. Teils im Jahr 1861 veröffentlich wurde, desto weniger genügte es, allein eine dieser Vorschriften zu kennen, da eine falsche Vorgehensweise somit fast vorprogrammiert war.
Dieses Beispiel zeigt uns, dass es einen dringenden Handlungsbedarf bei allen Expeditoren gab, die Vorschriften zu bündeln und thematisch voneinander zu trennen, so dass es nicht mehr einer langwierigen Aktensuche in vielen Konvoluten vergangener Jahre und Jahrzehnte, sondern nur noch eines kurzen aber zielgerichteten Blickes bedurfte, um alles Erforderliche zu finden und fehlerfrei zu arbeiten.
Für die Betrachtung der Lösung(en) dieser evidenter Probleme habe ich mir das Bayern des Jahres 1865 heraus gesucht.
Nicht dass im Jahr 1865 gewaltige Änderungen auf die Handelnden zugekommen wären, nein, es war eher ein Jahr wie jedes andere auch, aber in diesem Jahr erschienen zwei unterschiedliche Publikationen, die es wert sind, näher betrachtet zu werden.
Die 1. war die des Eisenbahn - Assistenten August Steidle aus Augsburg, wo er auch tätig war. Der Titel seiner Veröffentlichung lautete:
"Taxbestimmungen für die Beförderung der Correspondenz aus Bayern nach dem Postvereins - Auslande".
Es war dies schon die 2., umgearbeitete Auflage im Eigenverlag, durch die Ph. J. Pfeiffersche Buchdruckerei alldorten herausgebracht.
Worin bestand der Inhalt dieses Buches? Anhand eines Beispiels zeige ich die Seite 30, welche sich mit den Zielländern der portugiesischen Azoren bis zur St. Helena - Insel befasst. Interessant für den Postgeschichtler sind vor allem die jeweiligen Aufteilungen der Gebühren in "für Bayern" und "für fremde Posten", was nicht in jedem Fall von der Oberbehörde so veröffentlicht wurde, weil die Expeditoren ja mehr mit der Bearbeitung, also der Manipulation der Poststücke ins Ausland beschäftigt waren, als dass sie hätten wissen müssen, wieviel von dem zu kassierenden Gesamtbetrag nun in die bayerische oder in andere Postkassen zu fließen hatte.
Auch wichtig war die Beifügung der Kosten für die unfrankiert eingehende Korrespondenz aus den verschiedensten Ländern. So sehen wir unter der lfd. Nr. 69 Capland (britt.), dass Briefe "via Ostende" mit 51 Kr. zu frankieren waren, Briefe von dort unfrankiert aber 56 Kr. den Empfänger in Bayern kosteten.
Zur Demonstration zeige ich einen Brief mit 51 Kr. aus München vom 5.10.1867 nach Bloemfontein im heutigen Südafrika, der leider nicht mir gehört.
Angaben über die Möglichkeit der Recomanndation vervollständigen das Bild eines Buches, mit dem man in kürzester Zeit jeden Brief in die ganze Welt sicher bestimmen konnte.
Leider hat sich nur 1 Exemplar dieses Buches erhalten, von dem später für Interessierte Kopien angefertigt wurden. Auch der Verkaufspreis ist nicht bekannt, dürfte aber zwischen 30 Kr. und einem Gulden gelegen haben.
In jedem Fall war vor der Auflage eine ministerielle Genehmigung einzuholen, was man hier getrost unterstellen darf. Die Versendung dürfte auch per Postsache oder Zeitungssache kostenlos verlaufen sein, wie das später im 2. Teil vorzustellende Beispiel des Carl Sittl aus Passau noch belegen wird.
Liebe Grüsse von bayern klassisch