Hallo zusammen!
Angeregt durch die von DKKW und mir im „Belege Dänemark“-Thread vorgestellten Belege mit russischen zivilen Zensurstempeln möchte ich einen neuen Thread mit dem Thema Zensur und Postkontrolle in Russland und der UdSSR beginnen. Neben den Erscheinungen der rechtlich geregelten offenen Zensur sind auch jene der außerhalb des Gesetzes stehenden geheimen Postkontrolle von Interesse. Hier möchte ich Informationen zu den verschiedenen Zeitabschnitten geben und ihre Erscheinungen - soweit möglich – illustrieren. Natürlich sind, wie immer, Beiträge und Fragen anderer Forumsteilnehmer willkommen.
Bei der Betrachtung der russischen und sowjetischen Postzensur und Postkontrolle bietet sich folgende zeitliche Gliederung an:
- Russisches Reich bis 1914
- Russisches Reich während des I. WK
- Sowjetisches Rußland/UdSSR 1918-1940
- UdSSR während des II. WK
- UdSSR 1946-1991
- Russische Föderation 1992 bis heute
Zeitabschnittsübergreifend zu betrachten ist die Zensur der Korrespondenz von Untersuchungs- und Strafgefangenen sowie von Armeeangehörigen in Friedenszeiten.
Beginnen möchte ich die Übersicht mit dem Thema der Zensur von ausländischen Druckschriften: unter Katharina II. erschienen die ersten Normativakte zur Regelung verlegerischer Tätigkeit. Sämtliche aus dem Ausland eingeführte Literatur unterlag der Zensur. In den Hauptstädten St. Petersburg und Moskau sowie beim Zoll in Riga und Odessa entstanden Zensureinrichtungen.
Ih Sohn Pavel I. verbot im Jahre 1800 die Einfuhr von Büchern gleich ganz. Das Verbot wurde jedoch ein Jahr später durch Alexander I. wieder aufgehoben.
1804 wurde dann von Alexander I. die erste „Ordnung über die Zensur“ erlassen. Unter Punkt I.1. heißt es:
Die Zensur hat die Pflicht, Bücher und Schriften aller Art, die für den öffentlichen Gebrauch bestimmt sind, zu prüfen.
Und weiter unter Punkt I.9.
Zeitschriften und andere periodische Schriften, die über die Postämter aus fremden Ländern bezogen werden, werden bei der besonders bei diesen eingerichteten Zensur geprüft, die sich in allem an die Regeln dieser Ordnung hält.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden weitere Ordnungen (1826, 1828) sowie eine Vielzahl von Gesetzen und Bestimmungen zur Zensur erlassen.
1828 wurde das Komitee für ausländische Zensur eingerichtet, dem aus dem Ausland eingehende Bücher, Broschüren, Zeichnungen und Noten mit Text vom Postamt zugeleitet wurden. Die Zensoren im Postamt (in St. Petersburg hieß die Einrichtung „Zensur von Zeitungen und Zeitschriften beim Postamt“, sie unterstand der Hauptverwaltung für Post- und Telegraphenwesen) waren für die Prüfung einkommender ausländische Zeitungen und Zeitschriften zuständig.
Die Zensur von Druckwerken, sowohl der aus dem Ausland eingeführten, wie auch der im Inland verlegten, bestand mit geringfügigen Änderungen bis 1917 fort. Im Laufe der Zeit änderten sich die Organisationsstruktur der Zensurbehörden sowie ihre oberste Aufsichtsbehörde (zunächst das Bildungsministerium, später das Innenministerium). Durch die mit der Zeit steigende Zahl der herausgegebenen Druckschriften wuchs der Personalbestand. Das Jahr 1905 führte zwar zu einer Aufhebung der Vorab-Zensur für Publikationen in den Städten, weiteren Lockerungen und zu einer Umbenennung der Zensurkomitees in St. Petersburg, Moskau, Warschau und Tiflis in Komitees für Druckschriftenangelegenheiten, aber nicht zu einer Aufhebung der Zensur als solcher.
Über die Einführung des Stempels „D.Z.“ geben Dobin/Ratner und Kalmykow (Link s.u.) unterschiedliche Quellen an:
Im Februar 1873 gab das Postdepartement die Anweisung, den Stempel D.Z. (dosvoleno zensuroj) auf aus dem Ausland unter Streifband eintreffen Periodika anzubringen, die an die Adressaten ausgegeben werden konnten. (Quelle: Russisches Staatliches Historisches Archiv)
Im Jahr 1880 hieß es im Zirkular für die Post- und Telegraphenbehörde vom 3. Mai unter Nummer 8482 im Artikel 555:
„Druckschriten, die aus dem Ausland unter Streifband zu versenden sind, werden zur Prüfung der Zensur zugeleitet, die im Falle ihrer möglichen Ausgabe an die Anschrift einen Stempel „D.Z.“ (dosvoleno zensuroj) aufbringt.
Zuweilen wird in der Literatur zuweilen die Abkürzung D.Z. auch als „Dosmotreno zensuroj“ (geprüft durch die Zensur) aufgelöst.
Im „Belege Dänemark“-Thread wurden von DKKW und von mir bereits zwei Petersburger Zensurstempel gezeigt: ein einfacher D.C.-Stempel, der in dieser Form („breites D“) nicht bei Dobin/Ratner, wohl aber bei Skipton (in Rossica Journal Nr. 146, Artikel liegt mit leider noch nicht vor ) vermerkt ist sowie ein Rechteckstempel mit Datums- und Ortsangabe. Ergänzend zeige ich im Anhang ein argentinisches Streifband nach Narva aus dem Jahre 1899 mit dem Stempel D.Z. / S.P.BURG- sowie eine Drucksache des Buchhändlers Joseph Baer aus Frankfurt am Main nach St. Petersburg mit dem gut lesbaren Vermerk „Drucksachen.“ aus dem Jahr 1903, aber ohne erkennbaren Zensurvermerk. Zufälligerweise ist der Empfänger (ein gewisser Herr Makaroff) derselbe, wie bei der von DKKW gezeigten dänischen Drucksache.
In dem auf Open Text veröffentlichten Beitrag von W. Kalmykow () werden Stempel aus weiteren Städten gezeigt, im wesentlichen „D.Z.“ mit und ohne Ortsangabe.
So, ich hoffe, daß war für den Anfang nicht zuviel, aber das Thema ist doch recht umfangreich. Alls nächstes komme ich zu den "Schwarzen Kabinetten".