Liebe Sammlerfreunde,
Forwarding-Briefe sind Briefe, die innerhalb anderer Briefe/Pakete oder mit Hilfe von Reisenden erst in einen, dem Zielort meistens deutlich näherliegenden, Ort(Land) gebracht und dort zur Post gegeben werden. Die Gründe hierfür können Porto- oder Zeitersparnis oder auch Sicherheitsgründe u.ä. sein.
Diese Briefe haben den "Makel", dass die eigentliche Laufroute nicht vollständig postalisch dokumentiert ist.
Postgeschichtlich sind sie aber sehr interessant, da sie Hintergründe offenbaren können, die "normale" Briefe nicht zeigen. Wenn z.B. ein Brief um ein Seuchen- oder Kriegsgebiet herumgeleitet wurde. Oder wenn man einer bestimmten Postverwaltung nicht traute oder ihre hohen Taxen nicht bezahlen wollte.
Dieses Thema möchte ich mit einem Beleg beginnen, zu dem ich auch noch mehr Fragen als Antworten habe, der aber meiner Meinung nach sehr spannend ist:
Geschrieben wurde dieser Brief am 10. Dezember 1810 in Hamburg. Die Stadt war zu dieser Zeit Teil des französischen Kaiserreichs.
Adressiert war er an eine Familie im russischen Petersburg.
Ausweislich des Inhalts (siehe Scan) wurde er aber zunächst per Forwarding postlagernd nach Kehl in Baden geschickt !
Laut Feuser gab es ausserhalb der französischen Festung in Kehl ein T&T-Postamt.
Offensichtlich wurde der Brief von dem Empfänger dann an die Taxis-Post übergeben, denn das K2-Stempelfragment oberhalb von Petersbourg stammt meiner Meinung nach von einem frühen Frankfurter Stempel (evtl. Feuser 985-13).
Vermutlich übergab Taxis dann den Brief an die preußische Post und von da ging es dann endgültig nach Russland.
Die Taxen sind ein Thema für sich.
Die mit Rötel geschriebenen 20 könnten dann taxis'sche Kreuzer sein (?).
Oben in der Mitte erkenne ich mit roter Tinte geschriebene 10 1/2 oder 10 ..G (Groschen ??)
Ganz rechts oben stehen noch 28 und links oben 74
Rückseitig finden sich 138 und 144 (Kopeken ass. ?).
Ich glaube nicht, dass der Brief die ganze Strecke unfrankiert zurücklegte, auch wenn nirgends ein Franko-Vermerk zu sehen ist. Vermutlich musste zumindest der Taxis-Anteil vorausbezahlt werden.
Warum dieser große Umweg ?
Frankreich befand sich 1810 mit Russland offiziell nicht im Krieg, sondern beide Länder waren auf dem Papier sogar Verbündete (Bündnisvertrag von Erfurt 1808). Aber offensichtlich wollten die Absender den nach Russland adressierten Brief nicht in die Hände der französischen Post gelangen lassen. Angst vor Spionage ?!
Gibt es Kenntnisse über eine Familie von Bihl in Hamburg od. Petersburg zu dieser Zeit ?
Würde mich über Kommentare und Gedanken zu diesem Thema freuen.
Viele Grüße
Michael