Hallo,
vlt. sollte ich mal als "alter Hase" ein paar Tipps geben, auch auf die Gefahr hin, dass das nicht jeden interessiert.
Ehe man sich für die Angebote von Auktionshäusern konkret interessiert, ist es nicht völlig falsch, folgende Schritte zu unternehmen:
1. Kennt man große Sammler mit viel Auktionserfahrung, sollte man die fragen, wie sie zu dem Haus stehen.
2. Kennt man dergleichen nicht, läßt man sich den Katalog schicken und studiert das Kleingedruckte. Bei Unklarheiten sollte man per E-Mail anfragen und sich die Frage und Antwort ausdrucken, für den Fall des Falles.
3. Wer Einzellose auf seiner Agenda hat, sollte sich nicht nur sein Gebiet betrachten, sondern auch andere, verwandte Sammelgebiete, so diese hinreichend gut abgebildet sind. Sind die Marken und Briefe korrekt beschrieben, ist das schon sehr positiv. Wird nur beschrieben, was jeder 4jährige selbst ohne philatelistischen Hintergrund sehen kann, ist immer Vorsicht geboten. Wenn jede 2. Marke mit Luxus tituliert wird, man von Luxus aber weit und breit nichts sieht, sollte man den Katalog dem Recycling zuführen, denn wenn schon da geschönt wurde, wurde auch andernorts geschönt.
4. Wer Sammlungen und Posten präferiert, sollte grundsätzlich selbst oder einen Kenner besichtigen lassen. Oft geht das nicht. Dann kann man, da ja praktisch alle Sammlungen als "unberührt, nichts entnommen usw." angeboten werden, schauen, ob sich unter den Einzellosen just die Stücke finden lassen, die in den "unberührten" Sammlungen fehlen bzw. als "Highlights" nicht aufgeführt wurden. Das sagt dann meistens alles.
5. Dass bei einigen Auktionen gepushed wird, ist allgemein bekannt; das ist keine Erfindung von eBay. Was ein Auktionator im Buch hat, weiß außer ihm niemand. Wer weit über 100 Auktionen live erlebt hat, merkt sehr bald, welcher Auktionator blufft und wer tatsächlich hohe Gebote vorliegen hat. Daran ändert auch das neu aufkommende Internetbieten wenig - überreizt der Auktionator, kann er immer noch einen Schritt zurück gehen und dem vorherigen Bieter das Los zuschlagen. Wenn das im einstelligen Prozentbereich je verkauftes Los vorkommt, weiß man, was man von der Vorstellung zu halten hat.
6. Verfolgt man die Angebote eines Hauses über zwei oder drei Jahre hinweg, kann man sehr gut sehen, ob dort frisches Material angeboten wird, oder ob die ollen Kamellen immer wieder, teils unverändert, teils etwas niedriger bepreist, angeboten werden. Letzteres ist ein ganz schlechtes Bild, denn wer wenig umsetzt ist eher anfällig für zwielichtiges Geschäftsgebaren, als die Großen und Erfolgreichen der Branche.
7. Setzt ein Haus über Jahre in großer Masse Lose mit unrealistisch hohen Preisen an, dürfte der Hintergrund für dieses wenig positive Verhalten darin zu suchen sein, dass es eigene Bestände sind, die angeboten werden (was legal ist). Diese sind i. d. R. aber beliehen, stellen also nur bedingt Eigentum dar. Die Banken, weil sie mit jedem Katalog sehen, wie hochwertig und teuer das Material doch ist, halten still und glauben an ein sicheres Investment. Würden die Lose realistisch bepreist werden, fielen die Banken aus allen Wolken (wenn sie sich noch in diesen aufhalten sollten) und würden das Haus liquidieren. Wer aber schon am Tropf hängt, der ist sehr anfällig für einen wenig respektvollen Umgang mit dem Sammler.
8. Auktionshäuser, die mit einem Bildbearbeitungsprogramm arbeiten, sind mir Vorsicht zu genießen. Woran man das erkennen kann? Wenn alle alten Briefe irgendwie gleich aussehen - gleich weiß, gleich faltenfrei, gleich "sauber", gleich gerade gefaltet und daher immer absolut rechtwinklig. Das muss nicht zwangsweise bedeuten, dass das Material manipuliert ist. Man begeht aber keinen Fehler, sich von den interessierenden Stücken individuelle Scans anfertigen zu lassen, um potentielle Dichtung von nüchterner Wahrheit (leichter) unterscheiden zu können. Eine funktionierende Kartei ist hierbei eine große Hilfe, doch dauert deren Aufbau meist Jahre, was die meisten Sammler als zu aufwändig empfinden.
9. Wie schnell kommt ein "Feedback" von einem Haus, wenn man dort angefragt hat? Hierbei sind die heißen Auktionsphasen (1 Woche davor und danach) ausgenommen. Ansonsten gilt: Wer spät, schlampig oder gar nicht auf Anfragen reagiert, ist mit Vorsicht zu genießen; wer prompt, kompetent und freundlich antwortet, sollte positiv gesehen werden.
10. Wer über einen Kommissionär steigern lässt, und das ist sicher nicht das Dümmste, was ein Philatelist machen kann, darf auch bei diesem mal nachfragen, wie er gewisse Auktionshäuser einschätzt. Dieser Kontakt sollte aber mündlich oder fernmündlich erfolgen, nicht schriftlich, weil sonst nicht alles auf den Tisch kommen könnte und die Informationen daher nicht vollwertig sein könnten. Da Kommissionäre über weitreichende Kundenbeziehungen verfügen, viel sehen und im unmittelbaren Spannungsfeld zwischen Sammler und Auktionshaus stehen, verfügen sie oft über Informationen, die der breiten und für gewöhnlich gut informierten Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
Wenn diese Checkliste dafür sorgen sollte, dass auch nur einer von uns einen einzigen Fehlkauf vermeidet, hat es sich gelohnt.
Liebe Grüsse von bayern klassisch