Ich habe am Wochenende bei einem Besuch im Nachbarort Washington, North Carolina, dem originalen Washington, wenn ich sagen darf, alle anderen Washingtons, sind nur billige Imitation, in einem Troedelladen einen schoenen V-Mail Brief kaufen koennen. Anlass genug fuer mich diesen besonderen Postservice waehrend des zweiten Weltkrieges hier vorzustellen.
V-Mail oder "Victory Mail" wurde aus dem Beduerfnis geboren wertvolle Transportkapazitaet zu sparen. Erfunden haben diese Art des Postversandes die Briten unter dem Namen "Airgraph Service". Die U.S. Army uebernahm das System mit dem Namen "V-Mail" und nutzte es von Mitte 1942 bis Mitte 1945, wobei ich allerdings unterschiedliche Daten fuer den Betrieb des V-Mail Services in meiner Literatur habe. V-Mail bestand aus Briefbogenformularen. Diese wurden von dem Absender beschrieben, durchliefen die Zensur und wurden fotografisch auf Mikrofilm aufgenommen. Die Filmrollen wurden dann in die USA geflogen, auf Fotopapier ausgedruckt und an den Empfaenger zugestellt.
V-Mail existierte auch fuer den umgekehrten Weg Heimat-Front. Davon kann ich leider kein Beispiel zeigen. Die Gegebenheiten brachten es mit sich, dass der Soldat selten die ihn erreichende Post dauerhaft aufheben konnte, waehrend die Post in die Heimat fast immer verwahrt wurde. Wenn mir ein Anschauungsstueck spaeter mal ueber den Weg kommt, kann ich es vielleicht hier noch anfuegen.
Hier ein typisches Beispiel eines V-Mail Briefes Front - Heimat:
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Der Brief ist vom 6. Februar 1944. Absender ist ein Soldaten bei der Co. A 564th SAW Bn, APO 638. Die Absenderangabe befindet sich rechts oben in der Ecke. Der Zensurstempel befindet sich oben links. In der Mitte oben die Adresse des Empfaengers. SAW Bn bedeutet Signal Aircraft Warning Battallion, also eine Einheit der Flugsicherung und Flugzeugerkennung / Radar. Ueber die Angabe des Feldpostamtes APO (= Army Post Office) 638 laesst sich der Standort feststellen: Sunninghill, England.
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Die groesste Konzentration amerikanischer Truppen weltweit waehrend des 2. WK war in England. Von daher ist dies kein besonders hervorzuhebender Beleg. An den Empfaenger weitergeleitet wurde der Brief fotografisch reproduziert dann am 25. Februar 1944 (Poststempel). Der Poststempel ist kein Feldpoststempel. Bearbeitung erfolgte von der zivilen amerikanischen Post (USPS). Fuer den V-Mail Service verwendete Stempel lauten generell "U.S. Postal Service No. X" Vorkommende Nummern sind 1 (= New York, hier), 2 (= Chicago) und 3 (= San Francisco) fuer die drei regionalen Zentren, in denen V-Mail bearbeitet wurde.
Hier nun meine Neuerwerbung: Ein V-Mail Brief, aber mit der normalen Post befoerdert.
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Der Brief ist vom 17. Oktober 1944. Absender ist ein Soldat bei der 289th Signal Co. 4th ESB, APO 503. ESB, Engineering Special Brigade, wuerde ich auf deutsch als Pioniere uebersetzen. Wiederum erlaubt die vorgeschriebene Angabe des fuer die Postversorgung zustaendigen Feldpostames, APO 503, die Lokalisierung: Oro Bay, Papua-Neuguinea. Auf den Briefinhalt will ich nicht im Detail eingehen. Philatelistisch interessant ist die Beschwerde ueber schleppende Post und der beilaeufige Hinweis, dass das U.S. Postministerium mit einem Aufkommen von 90 Millionen Weihnachtspaketen zu Dezember 1944 rechnet. Zu dem Zeitpunkt war fuer die deutsche Wehrmacht schon alles am Ende.
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Der Feldpoststempel datiert vom 23. 10. 1944 und ist vom 4th BPO (Base Post Office) gelistet zu der Zeit fuer Camp John's Gully, "PI." PI = Philippine Islands, also Philippinen.
Ich habe bei dieser Zuordnung Zweifel. Der Ort erscheint mir seltsam, weil die Schlacht um die Philippinen erst in Oktober 1944 begann (Leyte). Es scheint aber auch ein John's Gully in der Naehe von Port Moresby, PNG zu geben (Google sei Dank) und ich wuerde den Standort des 4th BPO dorthin verlegen wollen.
So sieht die Vorderseite auseinandergefaltet aus:
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Das Briefformular zeigt sehr detaillierte Anweisungen, wie das Formular zu nutzen war. Diese sind mir sehr interessant, aber ich will sie hier nicht unbedingt im Detail uebersetzen.
Der Brief wurde nicht verfilmt, sondern offensichtlich mit normaler Post befoerdert. Die Erklaerung ist auf der Vorderseite unten und im Emfaengerfeld auf der Rueckseite oben zu finden, wo jeweils ein einzeiliger Stempel abgeschlagen ist: "not suitable for filming" – fuer das Verfilmen nicht geeignet.
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Der Grund liegt in der Groessenreduzierung, die voraussetzt dass die Briefe mit hinreichend grosser Schrift und deutlich in schwarz geschrieben waren. Die fotographische Reproduktion hatte ungefaehr ein Viertel der Originalgroesse des Briefes. Hier ein Groessenvergleich der beiden Briefe:
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Offenbar sah man hier aus irgendwelchen Gruenden Probleme bei der Verfilmung des Briefes und verhalf mir damit zu einem sehr schoenen Anschauungsstueck . . .
V-Mail ist haeufig. Es wurden Millionen von V-Mail Briefen versendet. Zu den Vorteilen der V-Mail zaehlte die automatische Sendung auf dem schnellstmoeglichen Weg, also mit Luftpost, wenn immer moeglich, und zwar kostenlos, waehrend der normale Feldpostbrief, fuer den Lufpostbefoerderung gewuenscht war, mit 6c Porto frankiert werden musste. Portofrei war Feldpost nur auf dem Land- und Seeweg.
Ein weiterer Vorteil der V-Mail war, dass Briefe nicht verloren gehen konnten. Eine Kopie des Filmes wurde zurueckgehalten, so dass bei Verlust der Post (Flugzeugabschuss, -absturz) die Post neuerlich auf den Weg gebracht werden konnte.
Obwohl die Nutzung des V-Mail Services zur patriotischen Angelegenheit erhoben wurde, deswegen natuerlich auch der Name, uebersteigt die Anzahl der normalen Feldpostbriefe die Anzahl der V-Mail Briefe bei weitem. Dies aus einem einzigem Grund: Der sehr beschraenkte Raum fuer Mitteilungen machte diese Sendungsart unattraktiv.