Schneller als die Deutschen
Schon früh entdeckten die Eidgenossen den Nutzen von Handel und Gewerbe. Waren es erst der berühmte Käse und die Schokolade, die sich gut in aller Herren Länder verkaufen ließen, kamen bald Banken ebenso dazu wie Maschinenfabriken und Arzneimittelwerke, die so präzise arbeiteten wie eine Schweizer Uhr. Da kam es gerade recht, dass die Briten den Alpenländern vormachten, wie man mittels Briefmarken die Übermittlung von Nachrichten vereinfacht. Das erleichtert schließlich das Geschäft.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich beschloss bereits im Januar 1843, eigene Briefmarken herauszugeben. Der Kanton war damit das erste Staatswesen auf dem europäischen Festland, das dem englischen Vorbild folgte. Der Wert zu vier Rappen war für Briefe innerhalb eines Bezirks (Lokalrayon) bestimmt, der Wert zu sechs Rappen für Ziele im übrigen Kantonalgebiet. Beide erschienen am 1. März 1843, also sechs Jahre vor der ersten deutschen Briefmarke.
Das eher schlicht zu nennende Markenbild wurde in fünffacher Ausfertigung gezeichnet und dann 20 Mal auf den Druckstein übertragen. Aus diesen fünf verschiedenen Typen entstanden bei Orell, Füssli und Co. Bogen zu 100 Marken. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal für Philatelisten sind waagerechte oder horizontale Unterdrucklinien in Rot, die allerdings nicht im gleichen Abstand angeordnet sind.
Doch die Neuerung kam längst nicht so gut an, wie deren Protagonisten glaubten. Die Schweizer zierten sich spürbar, die ohnehin nur innerhalb des Kantons geltenden Marken zu verwenden, denn die Vorausbezahlung des Portos durch den Absender könnte schließlich als Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Empfängers angesehen werden.
Auch im weltoffenen Genf brauchte es Zeit, bis Briefmarken akzeptiert waren. Diese am 30. September 1843 erschienenen Marken wiesen zudem eine Besonderheit auf: Sie bestanden aus zwei Teilen mit der gemeinsamen Überschrift "10. PORT CANTONAL Cent". Für den Druck übertrug man jedes Doppelstück 50 Mal auf den Druckstein. Entsprechend stark sind die Verschiebungen der Paare auf den Druckbogen. Für Briefe innerhalb des Stadtgebiets wurde die "Doppelgenf" vom Absender zertrennt und einzeln aufgeklebt.
Dabei musste auch die Inschrift zerschnitten werden. Nur auf Briefen in den übrigen Kanton blieben die Marken zusammen.
Mit deutscher Hilfe stellte der Kanton Basel-Stadt seine ersten Briefmarken her. Eine weiße Taube mit einem Brief im Schnabel ziert das von einem Architekten namens Berry gestaltete Motiv, das im Prägedruck sehr gut zur Geltung kommt. Es wird heute liebevoll "Basler Täubchen" genannt. Die Druckerei Krebs in Frankfurt am Main erhielt 1845 den Auftrag, die Marke herzustellen. Dennoch blieb die Verbreitung der Kantonalmarken gering. Schon 1847 nahm die Verwendung des "Tübli" spürbar ab. Doch im Zuge der Bundesverfassung von 1848 schuf die Eidgenossenschaft ein einheitliches Postwesen. Bis zur Inkraftsetzung war es jedoch ein weiter Weg. Den auf eigene Belange achtenden Kantonen wurden großzügige Übergangsfristen eingeräumt. Ab 1. Januar 1849 galt zwar das eidgenössische Postregal, aber einheitliche Schweizer Briefmarken in allen 22 Kantonen waren noch nicht in Sichtweite. So erschienen in verschiedenen Städten Übergangsmarken, die immerhin schon das Schweizer Kreuz mit Posthorn trugen. Erst im Mai 1850 kam die erste einheitliche Ausgabe der Eidgenossenschaft an die Postschalter.
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