Während einige Sammler für den Aufbau einer Heimatsammlung eines kleinen Ortes oder eines überschaubaren Territoriums zuweilen Schwierigkeiten beklagen, (bezahlbares) Material zu finden, habe ich bei meinem Gebiet - der nördlichen Hauptstadt Russlands mit aktuell ca. 5,3 Mio EW - das entgegengesetzte Problem: es gibt eine Fülle an Material – auch zu erschwinglichen Preisen. Modernes Material (ab den 1950er Jahren) kann man schon für wenige Rubel erwerben, manchmal wird sogar etwas kostenlos abgegeben. Auch Material aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich überwiegend zu moderaten Preisen finden.
Meine Motivation, den Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert zu legen, beruht u.a. auf der leichteren Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit im Vergleich zum 19. Jahrhundert. Zudem gibt es noch vieles zu dokumentieren und zu entdecken, was in der Literatur noch nicht ausführlich behandelt wurde. Der Anfang des Zeitraums wird gekennzeichnet durch die Strukturreform der Post im Jahre 1903, das Ende durch die Intensivierung der Modernisierungsbemühungen seit 1999.
Hauptziel der Sammlung ist eine möglichst umfassende exemplarische Dokumentation postalischer Phänomene aus dem erwähnten Zeitraum. Die Betrachtung der Belege beschränkt sich jedoch nicht auf rein philatelistische und postgeschichtliche Aspekte, sondern umfasst auch auf sozial-, wirtschafts-, regionalgeschichtliche Gesichtspunkte.
Die Sammlung zählt derzeit etwa 3000 Objekte aus der Zeit von 1850-2019: echt gelaufene Sendungen (fast ausschließlich aus dem Bedarf), Quittungen und Formulare, Telegramme, Ansichtskarten sowie Postwertzeichen mit Petersburg-Motiven. Einiges habe ich ja bereits in den Threads zu den Nummernstempeln, der Militärzensur im I. WK und der Blockade gezeigt.
Was ich (so gut wie) nicht sammele sind gefälligkeitsgestempelte sowie eindeutig philatelistische Belege, sofern mit ihnen nicht auch postgeschichtliche oder andere relevante Aspekte dokumentiert werden können.
Der geographische Rahmen: das Gebiet des Föderationssubjektes „Sankt-Peterburg“ gemäß der Verfassung der Russischen Föderation von 1993. Dieses Gebiet umfasst neben der Stadt St. Petersburg eine Reihe von Städten und Siedlungen, die seit jeher einen unmittelbaren Bezug zur Stadt haben (Sommerresidenzen der Zaren, Erholungsorte, Gewerbestandorte, Militärgarnisonen), allerdings zu verschiedenen Zeiten durchaus unterschiedliche territoriale Zugehörigkeiten hatten.
Quellen: Antiquariate (die hier „Bukinist“ heißen), Antiquitätenhandlungen (die hier „Antikvariat“ heißen), Sammler, semi-professionelle Händler/professionelle Händler (u.a. auf der Messe „Kollektioner“ und dem wöchentlichen „Sammlertreff“), die Internetauktionsplattformen meshok.ru und molotok.ru (letztere eingestellt).
„Bukinisty“ und „Antiquariaty“ handeln hauptsächlich mit Postkarten, die üblicherweise nur unter Gesichtspunkten der Philokartie (Motiv, Druckverfahren, Auflage, Verlag etc.) beurteilt werden. Hier lassen sich manchmal günstig philatelistisch-postgeschichtlich interessante Objekte finden. Andererseits übersteigen zuweilen Preise für gefragte Motive/Ausgaben den philatelistischen Wert um ein Vielfaches. Gelegentlich werden Ganzsachenpostkarten und Umschläge angeboten, wobei die Preisansätze zuweilen von "Appel und Ei" bis "Mond" reichen.
Die Internetplattform meshok.ru bietet ein relativ breites Angebot und eine gute Preisvergleichsmöglichkeit.
Professionelle Händler gibt es nur wenige. Bei den angebotenen Belegen ist selten ein Schnäppchen zu machen, jedoch befinden sich auch ausgefallenere Sachen im Sortiment.
Literatur: zu den „klassischen“ Stempeln gibt es ein Grundlagenwerk von Manfred Dobin. Bezüglich des 20. Jahrhunderts hat insbesondere Lev Ratner einiges veröffentlicht. Gemeinsam haben die beiden Autoren DAS Standardwerk für die Zeit bis 1914 verfasst: From the History oft he Saint-Petersburg Post 1703-1914 (Из истории Санкт-Петербургской почты).
Zu Einzelthemen sind in den Zeitschriften Sovetskij Kollekcioner/Kollekcioner und Filatelija, in den Zeitschriften der Arbeitsgemeinschaften mehrerer Länder Artikel sowie im Almanach „Ganzsachen und Postgeschichte“ (Почтовые цельные вещи и почтовая история) erschienen.
In diesem Thread möchte ich in loser Folge Material zu einzelnen Themen und Phänomenen vorstellen. Dabei wird es nicht immer streng chronologisch und philatelistisch-wissenschaftlich zugehen, u.a. anderem plane ich eine Art "Spaziergang über den Nevskij prospekt".
Wie immer würde ich mich über Fragen und ergänzende Beiträge freuen.
Eigentlich hatte ich geplant, zum Start etwas zum Petersburger Postamt zu schreiben und zu zeigen.
Aus aktuellem Anlass zeige ich aber heute eines der wenigen rein philatelistischen Objekte - eine Souvenirkarte mit einer 10k-Sondermarke mit einer Ansicht der "Heldenstadt Leningrad" zum 20. Jahrestag des Kriegsendes mit einem Sonderstempel des Leningrader Postamts vom 9. Mai 1966.