Als Chemiker fasziniert mich dieses Spezialthema der Zensur während des Zweiten Weltkrieges ganz besonders, insbesondere, weil ich zu diesem Thema bisher noch überhaupt keine Literatur habe auftreiben können.
Fakt ist, dass es während des II. Weltkrieges hin und wieder vorkam, dass Postsendungen mit chemischen Mitteln dahingehend untersucht wurden, ob irgendwelche Mitteilungen in nicht sichtbarer Tinte darauf vermerkt waren.
Zum heutigen Auftakt dieses hoffentlich interessanten neuen Threads zeige ich Euch als Beispiel diesen Brief, aufgegeben am 20.10.1943 in EUSKIRCHEN, adressiert nach Bern in der Schweiz.
Für die Zensur des Auslandsbriefverkehrs aus Deutschland in die Schweiz war die Auslandsbriefprüfstelle München zuständig, die den Kennbuchstaben "d" führte, wie bei diesem Beleg erkennbar an dem blauen Normstempel "OKW GEÖFFNET" auf dem per Verschlußvorrichtung angebrachten Verschlußzettel mit senkrechter Riffelung.
Ab Februar 1940 trugen alle von dieser Dienststelle geprüften Poststücke für die Auslandsbriefprüfstelle München charakteristische Prüferstempel in Form von Kastenstempeln 12 x 8 mm in rot mit selten drei-, meist vierstelligen Nummern, insgesamt bis zu fünf Stück, hier zwei, "3603" sowie "5754".
Außer diesen Prüferstempeln zeigen alle Poststücke Kreisstempel mit 10 mm Durchmesser mit den Zahlen 1 bis 99. hier in blau "11", sowie Kastenstempel von 11 x 7 mm mit meistens zweistelligen Zahlen, hier in blau einstellig "3".
Soweit die im Riemer dokumentierte und dort detailliert nachzulesende Information zur Zensur in dieser Auslandsbriefprüfstelle. Nun aber zum eigentlichen Thema dieses Threads und zum zu betretenden Neuland:
In der Auslandsbriefprüfstelle München gab es eine Gruppe "chemische Untersuchung", die die Poststücke per Pinselstrich mit bestimmten Chemikalien behandelte, um potentiellen Mitteilungen in Geheimtinte auf die Spur zu kommen.
In diesem Falle wurde der Brief auf der Vorderseite mittig mit einem diagonalen Strich in blau von links oben nach rechts unten versehen.
Auf der Rückseite wurde ebenfalls mittig ein diagonaler Strich in blau von links oben nach rechts unten angebracht.
Ausserdem wurden auf der Rückseite rechts über diesem mittigen diagolen blauen Strich zwei Striche mit einer hell erscheinenden Chemikalie angebracht. Zwischen diesen beiden Strichen ist ein dunkler erscheinender diagonaler Strich sichtbar.
Der bei dieser Sendung ebenfalls noch erhaltene Inhalt, ein gefalteter Briefbogen, wurde auf der ersten Seite unten links mit den beiden Prüfernummern "3603" sowie "5754" entsprechend den roten Prüferstempeln versehen.
Auf der Vorderseite sowie der Rückseite des Briefbogens wurden ebenfalls jeweils mehrere Pinselstriche mit den drei Chemikalien wie auf der Rückseite des Umschlags ausgeführt!
Offen ist für mich die Frage: mit welchen Chemikalien wurde hier geprüft und welchen Arten von Geheimtinten wollte man damit auf die Spur kommen???
Fest steht jedenfalls, solch ein interessanter Beleg macht wirklich nur eines: Lust auf mehr!!!
Liebe Grüße
mx5schmidt