Der Schatz im Altpapier
Oberbayer ersteigert die teuerste Briefmarken-Neuheit der Welt
München - Für kurze Zeit, rund eine Woche, durfte Christian Geigle die derzeit begehrteste Briefmarke der Welt in Händen halten: die Audrey-Hepburn-Marke mit einem Wert von exakt 69 437,60 Euro. Der Grünwalder hatte das Bildnis ersteigert zu einem Zuschlagspreis von 58 000 Euro, dazu kamen Käuferprovision und Mehrwertsteuer. Weltrekord für ein Stück der modernen Philatelie (nicht älter als zehn Jahre) und Weltrekord für eine deutsche Nachkriegsmarke.
Nicht nur der erzielte Preis ist einzigartig, auch das Postwertzeichen selbst ist äußerst selten. Die Marke, die den amerikanischen Filmstar (1929-1993) zeigt, gibt es - soweit bekannt - nur zweimal. Sie sollte im Oktober 2001 in der Serie "Internationale Filmschauspieler" als Wohlfahrtsausgabe erscheinen. Dafür waren auch Bilder von Marilyn Monroe, Charlie Chaplin, Jean Gabin, Ingrid Bergman und Humphrey Bogart vorgesehen. Doch in letzter Minute - die Marke war bereits in millionenfacher Höhe gedruckt - verweigerte Hepburns Sohn die Zustimmung. So mussten die Marken vernichtet werden.
Statt Hepburn grinst nun Garbo von der Marke
Anstelle von Audrey Hepburn lächelt nun Greta Garbo von den Postwertzeichen.
Offensichtlich wurden aber doch nicht alle Hepburn-Marken vernichtet. "Drei Musterbogen sind nicht mehr nachweisbar", sagt Michael Burzan, Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Briefmarkenhandels. Die drei Musterbogen mit je zehn Marken seien aus dem Finanzministerium verschwunden. So besteht die Möglichkeit, dass noch weitere Hepburn-Marken auftauchen. Denn eventuell hat jemand - versehentlich - diese Rarität als Porto verklebt.
So wie es schon einmal mit den Olympiamarken von 1980 geschah. Diese Marken, gedruckt zur Sommerolympiade in Moskau, wurden nach dem Boykott der Spiele zurückgezogen. Die wenigen Andruckexemplare verschwanden in den Archiven - und im privaten Schreibtisch von Postminister Kurt Gscheidle. Dort fand sie zwei Jahre später die Ehefrau des Ministers und klebte sie bedenkenlos auf ihre Post. Die Rarität wurde später von Briefmarkenliebhabern hoch gehandelt. Bei einer Auktion im Jahr 1988 erzielte der so genannte "Gscheidle-Brief" 45 400 Euro, Höchstpreis in der Nachkriegs-Philatelie bis zur Hepburn-Marke.
Die teuerste Marke allerdings, die je in Deutschland gehandelt wurde, ist der Baden-Fehldruck aus dem Jahr 1851. Damals wurde der Wert neun Kreuzer in blau-grüner Farbe statt in rosa Farbe gedruckt. Vom "9 Kreuzer blaugrün" sind nur drei gestempelte Exemplare bekannt, die zu den größten philatelistischen Raritäten der Welt gehören. Zuletzt wechselte 1985 eine Marke den Besitzer, dabei wurde ein Verkaufspreis von 2,3 Millionen Mark erzielt.
Die teuerste Marke der Welt ist übrigens nicht die Blaue Mauritius. Sie ist zwar auch sehr wertvoll und wurde 1993 für 1,1 Millionen Euro versteigert. Als teuerste und seltenste Briefmarke wird aber der schwedische Fehldruck "Tre Skilling Banco" gehandelt.
Die Drei-Skilling-Marke wurde falsch bedruckt, gelb-orange statt grün und wurde am 1. Juli 1855 in Schweden ausgegeben. 1996 erbrachte das einzige erhaltene Exemplar bei einer Auktion in Genf einen Betrag von 2,5 Millionen Schweizer Franken (1,8 Millionen Euro).
"Als der letzte Gegenbieter bei 56 000 Euro schon ein Lächeln im Gesicht hatte, habe ich gesagt: ,58 000’."
Händler Christian Geigle
So gesehen ist der Preis von 70 000 Euro für die Hepburn-Marke als "günstig" zu bezeichnen, meint Händler Christian Geigle. Gerade angesichts der Seltenheit und Popularität der Marke. Groß sei das Interesse bei der Auktion in Wiesbaden gewesen, so Geigle.
Als es ganz eng wurde bei der Versteigerung, waren nur noch drei Bieter im Rennen: ein weiterer Deutscher, der 54 000 Euro bot, ein US-Amerikaner, der auf 56 000 ging und Geigle, der sein erstes und einziges Gebot bei 58 000 Euro abgab. "Als der letzte Gegenbieter bei 56 000 Euro schon ein Lächeln im Gesicht hatte, habe ich gesagt: ,58 000’. Damit hatte ich die Marke", freut sich Geigle. Sein Gebot sei noch nicht "das Ende der Fahnenstange" gewesen. "Ich hätte sicher nicht 80 000 Euro geboten", betont Geigle. Bis rund 62 000 wäre er gegangen.
Der 43-jährige Grünwalder behielt die Marke allerdings nicht für sich, sondern kaufte die Marke für einen Philatelisten. Der Kunde ist ein großer Briefmarkensammler, der südlich von München lebt und unerkannt bleiben möchte. Nur soviel: "Es war ein ganz erhebendes Gefühl für ihn, die Marke zu besitzen", sagt Geigle. Und wie war es für ihn selbst, als er das gute Stück aus der Hand geben musste? "Ich habe sie gern weiter gegeben. Der Händler unterscheidet sich vom Sammler dadurch, dass er bereit sein muss, jede Briefmarke zu verkaufen, wenn er dafür den richtigen Preis bekommt." Außerdem: Schon der kurzzeitige Besitz der Hepburn-Marke sei ein "außergewöhnliches Erlebnis" für ihn gewesen.
Spannend sei nun für ihn, was mit der zweiten Hepburn-Marke geschieht. Diese hat ein Briefträger und Sammler aus Leupoldsgrün (Landkreis Hof) gefunden - genauso zufällig wie ein Frankfurter die erste Marke gefunden hat. In einem Karton "Kiloware" mit Ausrissen, die er von Freunden, Firmen und Verwandten erhalten hat, entdeckte der Oberfranke die Audrey Hepburn-Marke.
Sie ist allerdings beschädigt, hat Knitterspuren, einen kleinen Einriss sowie Zahnfehler am Oberrand. Der Besitzer überlege noch, was er damit macht, ob er sie behält, versteigert oder direkt verkauft, so Geigle.
In jedem Fall sind hochklassige Briefmarken wertstabile Anlagen - sagt Geigle. Welche Anlage habe einen so enormen Wert bei einem so geringen Gewicht? Die Audrey Hepburn-Marke wiegt gerade mal 40 Milligramm.
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