Ersteigerte Karte war ohne Stempel wertlos
Günter Albrechts Sammlung reicht bis 1815 zurück
Hagenow • Aus welcher Zeit eine Karte oder ein Brief stammen, lässt sich von ihrem Poststempel ablesen. Das ist natürlich keine besondere Herausforderung, wenn er eine vollständige und noch lesbare Datumsangabe enthält. Doch Günter Albrecht aus Hagenow ist auf diesen Hinweis gar nicht angewiesen, um Postsendungen zeitlich einzuordnen. Er kann aus der Stempelgestaltung – auch der Schriftgröße – seine Schlüsse ziehen. Seine große Sammlung von Hagenower Poststempeln auf Briefen und Karten hilft ihm dabei.
Der älteste Hagenower Stempel in Günter Albrechts Besitz stammt aus dem Jahr 1815. "Das ist aber nicht insgesamt der älteste, der soll noch zwei Jahre älter sein und sich irgendwo in Privatbesitz befinden", bedauert der 63-Jährige. 1811 hatte es in Mecklenburg einen Erlass gegeben, wonach jedes Postamt einen Stempel führen müsse um kennzeichnen zu können, wo ein Brief abgeschickt worden ist. Dem anfänglichen Längsstempel mit dem Ortsnamen in einer Linie folgten der Zweikreis- und der Einkreisstempel in verschiedenen Ausführungen. So standen die Orts- und Monatsangabe zum Beispiel mal neben- und mal untereinander.
Für fünf Milliarden Mark auf die Reise geschickt
Sein Wissen über Poststempel und ihre zeitlichen Bezüge hat sich Günter Albrecht über Fachliteratur, Gespräche mit anderen Experten und das "Inspizieren" der Stempel angeeignet. Als er Anfang der 80er-Jahre anfing, konnte er die ersten Exponate aus seinem eigenen Briefmarken-Fundus "ziehen". "Ich hatte die Marken nie abgeweicht, sondern die Belege immer im Ganzen gesammelt", betont der Philatelist, der Mitte der 70er-Jahre dieses Hobby für sich entdeckt hatte. Aber nachdem er ein Exponat zu Vögeln im Kreis Hagenow zusammengestellt und dafür Silber bei einer Freundschaftsausstellung in Polen bekommen hatte, wurde sein Interesse am Markensammeln geringer. In den Poststempeln fand Günter Albrecht ein neues Thema, das ihn bis heute fesselt. "Das Reizvolle daran ist ja, dass man sich mit den Stempeln befasst, sie nicht nur zeitlich, sondern auch in die gesellschaftliche Entwicklung einordnet", so der frühere Lehrer. So hat er in seiner Sammlung eine Karte, die für fünf Milliarden Mark auf die Reise geschickt wurde – am 16. November 1923, kurz bevor die Inflation ihren Höhepunkt erreichte. Auch ein Schreiben des jüdischen Käsefabrikanten Louis Davidsohn aus Hagenow befindet sich in seinem Besitz – wahrscheinlich einer der letzten Briefe, den dieser schreiben durfte. An die Jahrtausendwende 1900 erinnert eine Sonderpostkarte vom 31. Dezember 1899.
Auch wenn Günter Albrechts Fundus schon riesig ist – seine Sammelleidenschaft ist ungebrochen. Und so kommt auf die Frage, wieviele Poststempel er bereits zusammengetragen habe, die klare Antwort: "Keine Ahnung. Jedenfalls noch nicht alle." Nicht nur ältere, auch ganz aktuelle Karten und Briefumschläge interessieren den Hagenower. Sie geben durch Werbestempel zum Beispiel Auskunft über Unternehmen, die derzeit in der Region existieren.
Nachschub durch Tauschen und Internetauktionen
Durch Tauschen oder Internetauktionen sorgt der Sammler ständig für Nachschub, auch wenn das manchmal schief geht. So hatte Günter Albrecht eine Postkarte vom Breitscheidplatz, die gelaufen sein sollte, ersteigert und sich dabei zu einem höheren Gebot als geplant hinreißen lassen. Weil es mit der Überweisung in die Schweiz nicht klappte, musste er das Geld auch noch mit der Post schicken. Die Karte kam und sie war auch gelaufen – allerdings im Briefumschlag. Damit hatte sie selbst weder Briefmarke noch Stempel und war völlig wertlos. Kathrin Neumann
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