Liebe Sammlerkollegen,
ich habe mich hier (obwohl ich - nach kurzer Briefmarkensammeltätigkeit - bei den Fossilien gelandet bin) registriert, um mich ein wenig mit dem Sachstand der Briefmarkensammler-Gemeinde im Hinblick auf das Kulturgutschutzgesetz vertraut zu machen. Ein wenig verwundert reibe ich mir die Augen, dass es nach der Veröffentlichung des Entwurfs des Kulturgutschutzgesetzes am 14.09.2015 nicht zu einer fortgesetzten Diskussion gekommen ist.
Hier der Link zum Gesetzestext:
Dass Briefmarken auch vom Gesetz erfasst sind, ergibt sich aus der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 9.
Demnach ist Kulturgut "jede bewegliche Sache oder Sachgesamtheit von künstlerischem, ge-
schichtlichem oder archäologischem Wert oder aus anderen Bereichen des kulturel-
len Erbes, insbesondere von paläontologischem, ethnographischem, numismati-
schem oder wissenschaftlichem Wert".
Dies war bereits aus Vorentwürfen so bekannt bzw. vermutet worden (s.o.).
Wer immer noch nicht glaubt, dass auch Briefmarken gemeint sind, der sei auf S. 113 unten aufmerksam gemacht, wo Briefmarken als Beispiel genannt werden.
Ich gehe davon aus, dass Briefmarken genau wie Fossilien oftmals international gehandelt werden. In diesem Zusammenhang möchte ich Eure Aufmerksamkeit auf den Paragraphen 30 des Gesetzes lenken:
Er ist überschrieben mit der Überschrift "Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einfuhr".
Der Text im Entwurf vom 14.09.2015 lautet:
"Wer Kulturgut einführt, hat geeignete Unterlagen mitzuführen, mit denen die recht-
mäßige Einfuhr nachgewiesen werden kann. Geeignete Unterlagen sind insbesondere
Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftsstaates, sofern sie nach dem Recht des jeweiligen
Herkunftsstaates erforderlich sind."
Der Paragraph bezieht sich somit auf jede Form von Kulturgut (Briefmarken, Münzen, Bierkrüge, Bücher, Keramik - im Prinzip jedes Urlaubssouvenir) und neuerdings auch auf Naturgüter wie Fossilien (=paläontologische Objekte) und Mineralien.
Was fällt bei der Formulierung des Pargraphen 30 auf? Hier ist von "Kulturgut" die Rede. Es ist also alles gemeint, was § 2 Abs. 1 Nr. 9 als Kulturgut aufzählt. Der Paragraph spricht auch nicht von nationalem Kulturgut oder national wertvollem Kulturgut, sondern schlicht von Kulturgut.
Die Formulierung lässt den Schluss zu, dass hiermit jede Briefmarke, jedes Fossil, jedes Kunstwerk und jede Münze gemeint ist.
Was ersehen wir daraus: man braucht immer einen geeigneten Nachweis die Rechtmäßigkeit der Einfuhr nachzuweisen. Geeignete Unterlagen dafür sind Ausfuhrgenehmigungen, sofern sie nach dem Recht des jeweiligen Herkunftsstaaes erforderlich sind. Diese Formulierung ist sehr unklar gewählt.
Auf Korrekturhinweise seitens Briefmarken-, Münz- und Fossiliensammlern in den Anhörungen hat das Ministerium bislang nicht mit einer Korrektur reagiert.
Der Änderungsvorschlag der Fossiliensammler lautete:
"Wer Kulturgut einführt, hat geeignete Unterlagen mitzuführen, mit denen die recht-
mäßige Einfuhr nachgewiesen werden kann. Geeignete Unterlagen sind insbesondere Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftsstaates, sofern sie nach dem Recht des jeweiligen Herkunftsstaates erforderlich sind."
Die rote Passage sollte nach unserem Vorschlag entfallen. Dann wäre der Paragraph weitgehend clean, denn von uns möchte ja niemand gegen das Recht der Herkunftsstaaten verstoßen.
Sinn und Zweck der angeregten Änderung: Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftsstaates bräuchte man für die Einfuhr nur dann, wenn der Herkunftsstaat solche Genehmigungen für die Ausfuhr verlangt.
Es könnte aber (bei dieser Formulierung) dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen den Kulturgutverkehr komplett zu "filtern" (zumindest optional), d. h. es soll möglicherweise nur noch solches Kulturgut nach Deutschland gelangen, für das Papiere vorgelegt werden können. Ansonsten kann es beschlagnahmt werden. Um es zurückzubekommen, muss man dann selbst die Legalität des Besitzes beweisen und die Angelegenheit ggf. durchfechten.
Das ist eine Umkehr der Beweislast - die Illegalität ist die gesetzliche Vermutung und die Legalität beweisbedürftig. Dies ist ein schwerwiegender Eingriff, widerspricht der Unschuldsvermutung und ist rechtstaatlich bedenklich. Auch handelt es sich um eine europarechtswidrige Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit.
Es ist insbesondere dann bedenklich, wenn Deutschland hier, wie anhand der Formulierung zu befürchten, über das Recht des Herkunftsstaates hinausgeht.
Nach der derzeitigen Formulierung muss man damit rechnen, dass man bei Einfuhr jedes Kulturguts ab einem Wert von 0 Euro (im Ernstfall) eine Ausfuhrgenehmigung benötigt.
Das Ministerium verschanzt sich bzgl. Rückfragen hierzu und zu anderen Punkten hinter Worthülsen und äußert sich nicht inhaltlich ( ).
Liebe Briefmarkensammler, aufwachen! Schaut Euch dieses Gesetz genau an. Es beinhaltet noch weitere Fallstricke, ist sehr weitreichend formuliert, fast nicht zusammengehörige Themengebiete (Naturgüter und Kulturgüter) in einem einzigen Gesetz zusammen - ein optimistischer Versuch, der handwerklich extreme Mängel aufweist, trotz der Überlänge des Textes und des Erläuterungstextes. Das Ziel scheint zu sein, einen solchen Erklärungswust zu schaffen, dass der Bürger frustriert aufgibt zu lesen und auf diese Weise einige extrem scharfe Regelungen durchzudrücken.
Bei leisesten Zweifeln, ob er durch das Gesetz in Probleme bzw. in unnötige Bürokratie kommen könnte, sollte jeder Briefmarkensammler die Petition "Für den Erhalt des privaten Sammelns" unterzeichnen. Diese kann "nicht schaden", aber vielleicht noch sehr nützen!
Es geht mir hier nicht um Panikmache. Aber wir sollten uns nicht übertölpeln lassen. Die Petition gegen das Gesetz hat nicht umsonst 27 500 Stimmen.
Bitte beteiligt Euch, Ihr seid die wohl größte Sammlergruppe. Die Sammler müssen zusammenhalten:
Gruß
Sönke