Mit großer Verblüffung habe ich dieses Wochenende das Buch „Metternichs geheimer Briefdienst“ von Josef Karl Mayr gelesen. Warum meine Verblüffung? Polizeistaat und Metternich ist doch nichts Neues.
Um es gleich auf den Punkt zu bringen, Mayr stellt die Grundintention Metternichs in Bezug auf das Postwesen so dar, dass von diesem das Postsystem primär im Dienste der Informationsbeschaffung organisiert und weiterentwickelt wurde. Damit bekommen auch die internationalen Beziehungen und die Vereinbarungen zu den Postkursen mit diesem anderen Grundverständnis eine ganz neue Schlagseite. Nicht die Portoeinnahmen, sondern die Kontrolle über wesentliche Informationskanäle (z.B. in Bezug auf Italien oder Wiener Kongress) und, dass potentiell feindlich gesinnte Staaten (zu dieser Zeit etwa Bayern, Frankreich, Sardinien für Österreich) keinen Einblick in die eigene Korrespondenz erhalten sollten, waren prägend für die politischen Aktivitäten.
Noch einige interessante Schlaglichter:
• Die amtliche Briefdurchforschung durch sogenannte „schwarze Kabinette“ oder Postlogen war in der Zeit vor 1848 ein absolut gängiges staatliches Instrument der Kontrolle und Spionage (Beispiele in Frankreich, Sachsen, Rußland, Sardinien …)
• Österreich war mit seinen Postlogen und deren Methoden besonders am Puls. Kein Siegel sei es aus Wachs oder Oblaten, das nicht geöffnet und praktisch ohne erkennbaren Schaden wieder repariert wurde.
• Thurn und Taxis dürften sich in Bayern allerdings 1808 etwas ungeschickter angestellt haben. Zumindest ist davon auszugehen, dass die Aufdeckung der Briefspionage für das Habsburgerreich zur Kündigung des Postpachtvertrages durch Bayern geführt hat (siehe dazu Helbig Bayrische Postgeschichte).
• In Wien agierte eine sogenannte „Geheime Ziffernkanzlei“ bei der Auswahl der zu öffnenden Briefe. Die Interzepte wurde nur einem kleinen Kreis vorgelegt. Insbesondere Kaiser Franz hat sich damit stundenlang beschäftigt. Gegen Ende der Zeit Metternichs wurden allein in Wien 80 bis 100 Briefe exzerpiert weitergegeben – bei einem Personalstand von rund 15 Personen.
• Um doppelte Öffnungen in einem Postgebiet (z.B. Öffnung bei Briefaufgabe in Wien und Gefahr einer neuerlichen Kontrolle in Semlin oder Triest) zu vermeiden, wurden Briefe gekennzeichnet. Mayr meint, dass dies an den Kuvertecken passiert ist.
• Die Verschlüsselung von Botschaften und damit die Notwendigkeit diese im Gegenzug bei den Logen zu Dechiffrieren war eine besondere Aufgabe mit besonderen Remunerationen für die Logisten. Gratifikationen gab es auch für das Erlernen von fremden Sprachen (in Wien etwa 500 Gulden)
• Als Gegenmaßnahmen kamen in Frage: Deckadressen, Privatkuriere, vermischte Briefe, besondere Ziffernschlüssel, Geheimschriften usw.
• Jegliche Schriftstücke (Interzepte, Anweisungen) bzw. sonstige Spuren (die Postlogisten etwa waren proforma anderen Dienststellen zugeordnet) wurden vernichtet. Nur wenige Dokumente (einige Andeutungen von Metternich in seinen Briefwechseln, einen operierten“ Briefumschlag) sind erhalten geblieben.
Jetzt ist es natürlich sehr spannend, ob es nicht doch noch Nachweise bei diversen Belegen zu diesen Aktivitäten der schwarzen Kabinette gibt?
Schönen Abend an alle
Wien13